Tschechien - Auf der Moldau - Natur und Kultur in Südböhmen.

Text / Fotos: Reinhold Müller

 Boote: GRABNER OUTSIDE

Obere Moldau, zwischen Soumarský Most und Lipno Stausee
Kalte Moldau (Studená Vltava) zwischen dem Dorf Stozek und dem Zusammenfluss mit der Warmen Moldau (Teplá Vltava)
Moldau vor dem Lipno Stausee

Wer Moldau hört, denkt meist an Prag. Uns reizte mehr noch der Ursprung der Moldau in den Hochmooren zwischen Bayerischem Wald und Böhmerwald.
In Soumarský Most setzen wir die Boote ein und folgen ihrem Lauf über das mittelalterliche Städtchen Ceský Krumlov bis nach Ceské Budejovice.

Am späten Nachmittag passieren wir den Grenzübergang Philippsreuth. Obwohl der Bayerische Wald und der Böhmerwald geografisch eine Einheit bilden, trennt die Grenze nicht nur zwei Staaten, er teilt unübersehbar auch die Landschaft in ganz unterschiedliche Naturräume. Breiten sich auf der deutschen Seite sattgrüne Wiesen und feuchtbraunes Ackerland geometrisch aus, so präsentiert sich der Böhmerwald urwüchsig, ja urwaldhaft. Mehr als vierzig Jahre, bis 1989, war der größte Teil des heutigen Sumava-Nationalparks wegen seiner Grenznähe abgeschirmtes Sperrgebiet.

Ihren Ursprung nimmt die Moldau auf nahezu 1200 m, auf der Wasserscheide zwischen dem Bayerischen Wald und dem Böhmerwald, in dunklen, mit Kiefern bewachsenen, unzugänglichen Sumpfgebieten. Bis zum Zusammenfluss mit dem zweiten großen Quellfluss Studená Vltava (Kalte Moldau) wird sie auf einer Länge von 44 Kilometern Teplá Vltava (Warme Moldau) genannt.

Auf schmaler Straße erreichen wir nach zehn Kilometern Lenora (Elenorenhain). Die Gemeinde ging aus einer Glashütte hervor, die im 19. Jahrhundert zu den besten in Mitteleuropa gehörte.
Skeptisch schauen wir zum Fluss. Ende September ist die Moldau flachgründig, zu seicht für unsere Boote. Doch wenige Kilometer flussabwärts, beim Zeltplatz Soumarský Most, empfiehlt sich ideales Paddelwasser. Ab hier ist die Moldau mit Kanu und Kajak ganzjährig befahrbar.

Soumarský Most liegt am Goldenen Steig, einem uralten Handelsweg. Auf ihm wurde auf Saumtieren schon vor 700 Jahren Salz aus den österreichischen Orten Hallein und Schellenberg über den Böhmerwald bis nach Prachatice transportiert. Es entwickelte sich ein reger Handel, auch Seide, Wein, Gewürze, Meeresfische und Waffen wurden eingeführt. Auf dem Rückweg schleppten die Tragtiere Getreide, Malz, Hopfen, Bier und handwerkliche Erzeugnisse. Unweit der Brücke führte einst eine Furt durch den Fluss, wo die Karawanen den Fluss durchschritten.

Unterhalb des Staudammes, bei der Gemeinde Lipno, strömt das Wasser der Moldau durch einen 3,5 km langen unterirdischen Tunnel unter dem Berg Luc in ein Ausgleichsbecken bei Vyssí Brod. In zwei Kraftwerken wird die Wasserwucht zur Stromgewinnung genutzt. Ein steiler Wanderpfad führt zwischen Louvovice und Vyssí Brod hinunter zum Fluss und eröffnet einen grandiosen Blick auf die Certova Stena (Teufelswand), ein geologisches Gebilde im Landschaftsrelief von Felsen und verkrüppelten Kiefern, hoch über der Moldau. Mächtige Granitfelsen sind in Quader geborsten. In das Flussbett gestürzte glattgeschliffene Felsen haben die Form von Riesentöpfen mit Walzen und kegelförmigen Vertiefungen.

Wir wollen Fahrspaß!

Vyssí Brod (Hohenfurt) ist ein malerisches Städtchen im Vorland des Böhmerwaldes. Bereits im 13. Jahrhundert wurde hier ein Zisterzienser Kloster gegründet, das im Laufe der Jahrhunderte weiter ausgebaut wurde. In der Klosterkirche Mariä Himmelfahrt befindet sich die Gruft der Familie Rosenberg. Die Klosterbibliothek aus dem Jahre 1757 beinhaltet an die 70.000 Bände und ist die drittgrößte in Tschechien. Seit jeher führte hier ein Handelsweg von Österreich nach Südböhmen.
Von Vyssí Brod fließt die Moldau ruhig wie zu den Zeiten der Floßfahrten. Aber der alte Flößerruhm ist längst vorüber und auch die Flößerkneipen gibt es nicht mehr. Beim Zeltplatz, unweit der Moldaubrücke setzen wir die Boote ein.
Hinter dem Städtchen wird das Tal enger. Gerade habe ich mich warmgepaddelt, lässt lautes Rauschen auf ein Wehr schließen. Als wir die breite Floßgasse mit einer flotten Strömung und am Ende hohes Weißwasser - halb Welle, halb Walze - erblicken, ist der linksseitige Pfad zum Umtragen, keine Alternative mehr. Wir wollen Fahrspaß. Im Outside folgt ein heißer Wellenritt, Brecher schlagen ins Boot, die abschließende Walze lässt den Schlauchkanadier steil aus dem Wasser steigen. Nun geht es flott voran.
Das Wehr Horni Mlýn in Herbertov schauen wir uns genauer an. Das Wasser fällt mehr als zwei Höhenmeter über die Schräge. In Folge wird der Flusslauf durch eine Betonmauer von der unterhalb der Staustufe beginnenden Wildwasserübungsstrecke geteilt. Wir schlagen den direkten Weg über die Stauanlage ein. Den Beton überzieht eine grünlich schimmernde und glatte Algenschicht. Wir stellen das Outside rechtwinklig zum Wehr, zwei, drei kräftige Paddelschläge und schon rutscht das Boot über das Hindernis. Auf der Übungsstrecke sind stetig kontrollierte Lenkmanöver gefordert. Über Wellen und um aufragende Felsen gelangen wir nach einigen hundert Metern wieder in ruhigeres Wasser.
Windungsreich schlängelt sich nun die Moldau durch das Tal. Die Wälder ziehen sich bis an das Ufer. Überhängende Äste strecken unter und über Wasser tausendfach ihre Fangarme nach uns aus. Bleiche Sonne taucht die Landschaft in unwirkliche Pastellfarben, das Grün der bereits von Herbst gezeichneten Wälder, das Blau der fernen Hügel und der Azurhimmel leuchten mit dem Grünblau des Flusses um die Wette.
Nach einer Stunde drängt sich eine Burg ins Bild, Rozmberk (Rosenberg). Schon der Name der Burg sagt, welcher berühmten Dynastie sie gehörte. Man kann sagen, dass die Familie Rosenberg auf dieser Burg ihren Anfang nahm, denn der wichtigste Zweig dieses Herrschergeschlechtes nannte sich nach diesem Ort. Über einem tiefen Tal der Moldau wurde sie im 13. Jahrhundert erbaut. Das Dorf unter der Burg wurde 1262 gegründet, hier stehen viele gut erhaltene und historisch wertvolle Bauten.
Das uralte Moldauwehr in Rozmberk, mit seiner einst spritzigen Floßgasse, wurde mittlerweile "entschärft", gemächlich rutschen seitdem die Boote über Stufen in ruhigeres Wasser. Kurze Zeit führt der Flusslauf durch offenes Gelände und taucht dann endgültig in ein tief eingeschnittenes Waldtal. Ruhig fließt das Wasser der Moldau, eingebettet zwischen bewaldeten Steilhänge. Kaum ein Fahrzeug auf der nahen Straße stört diese Abgeschiedenheit.
Der Abend naht bereits, als sich rechter Hand ein idyllisches Plätzchen zum Übernachten anbietet.

Anlanden verboten!

Unser Standplatz zwischen den Kiefern am Ufer der Moldau ist grandios. Bald steigt von den umliegenden Sumpfgebieten der Nebel auf.
Tags darauf, als wir gegen neun die Boote ins nasse Element schubsen, hat der Nebel die Tallagen noch fest im Griff, einsetzender Regen lässt uns das Schlimmste befürchten. Doch Petrus hat ein Einsehen und schiebt das Wolkengebirge einfach hinweg. Erste Sonnenstrahlen dringen durch die Wolkendecke, tauchen den Fluss und die malerische Sumpflandschaft in weiches Licht. Gemächlich windet sich die Teplá Vltava durch ein Hochtal. Nach eineinhalb Stunden Paddeln kreuzt den Fluss die Brücke für den Schienenbus, der von Volary (Wallern) zum grenznahen Ort Stozec (Tussent) führt. Entlang des Mrtvy Juh, eines Hochmoors, mäandert nun die Moldau. Betreten, ja sogar das Anlegen der Boote ist verboten, das Mrtvy Juh ist Totalreservat.
Hochmoore liegen im Gegensatz zum Flachmoor deutlich über dem Grundwasserspiegel und wölben sich zur Mitte hin empor. Für die meisten Pflanzen ist das ungünstig. Oft besteht keine Verbindung mehr zum Grundwasser, und die Pflanzen sind von Tau, Regen und Schnee abhängig. Die Vegetation besteht überwiegend aus Torfmoosen. An den trockenen Stellen wachsen Seggen, Binsen und Wollgräser. Doch auch Zwergsträucher, wie Heidekraut, Moosbeere und Preiselbeere, und fleischfressende Pflanzen, wie der Sonnentau haben sich an die Nährstoffarmut der Hochmoore angepasst. Die Moorbirke steht im Mrtvy Juh ebenso, wie die Sumpfkiefer mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsformen; von der Latschenkiefer bis hin zur Baumform. Auf 300 Jahre wird das Alter der Bäume geschätzt.
Wir genießen unseren ersten Tag auf der Moldau. Lautlos tauchen wir die Stechpaddel ein und ziehen sie gleichmäßig entlang der Bordwand zurück. Träge fließt der Fluss, zu beiden Seiten Moor und Sumpf, Seggen wölben sich bis ins Wasser. Das Gefühl der Abgeschiedenheit wird durch das hohe Ufer noch verstärkt. Hin und wieder ragen die Skelette ertrunkener Bäume aus der Wasseroberfläche. Gespenstisch, der Kontrast von bleichem Geäst und dem klarbraunen Wasser.
Die Mündung der Studená Vltava (Kalte Moldau) wird am Südrand des Mrtvý Juh erreicht. Erst ab hier heißt der Fluss Moldau. Mit vielen Biegungen und Schleifen führt nun der Wasserweg durch Fichtenwälder, verläuft dann wenige hundert Meter entlang der für den öffentlichen Verkehr gesperrten Straße zwischen Nova Pec und Stozec. Bei Kilometer 18 überspannt eine Brücke die Moldau, eine Stichstraße führt nach Osten, zum Dorf Pekná.
Allmählich macht sich der Rückstau des Lipno-Stausees bemerkbar, wir verstärken den Druck auf die Blätter der Stechpaddel. Die Sonnenstrahlen tasten sich durchs klare Wasser bis auf den Sandboden ehe der Fluss durch schattiges Waldgebiet zieht. Hin und wieder liegt eine Baumleiche, vom Sturm gefällt, mit gespreizten, fantastisch verschlungenen Wurzeln am Ufer. Abrupt treten die Bäume zurück und geben den Weg frei in das weite Tal.

Nova Pec liegt am Nordrand des Lipno-Stausees. Früher war das Holzfällerdorf Nova Pec eines der Untertanendörfer von Krumau. Das Holz wurde auf einer Wasserrutsche vom nahen Schwarzenberger Schwemmkanal bis zum Bahnhof transportiert. Die Entwicklung des Dorfes war mit dem Holzflößen auf dem Schwarzenberger Kanal verbunden. Heute bietet sich der Ort aufgrund seiner begünstigten Lage am Seeufer und in unmittelbarer Nähe des höchsten Berges im Böhmerwald für Aktiv-Urlauber geradezu an. Nova Pec - das sind viele verstreute Einzelhöfe unterhalb des Plöckenstein (1378 m). Auf dem einfachen Zeltplatz können die Paddler Kräfte sammeln für die Durchquerung des Stausees.

 

Raus aus dem Boot!

Unsere Weiterfahrt setzen wir auf vier Rädern fort.
1959 wurde ein Abschnitt der oberen Moldau zur Energiegewinnung aufgestaut. Im See verschwanden Dörfer, einzelne Gehöfte - und das "Herz der Moldau", eine herzförmige Mäanderschleife des Flusses nahe von Pihlov (Pichlern). Mehr als 40 Kilometer zieht sich der Stausee durch den Süden des Böhmerwaldes (Sumava). Wir nähern uns Horni Planá (Oberplan), dem Geburtsort von Adalbert Stifter. Sein Geburtshaus liegt direkt an der Hauptstraße und ist ein vielbesuchtes Museum. Auf einer Hinweistafel sind die historischen Wege des "Böhmerwald Dichters" beschrieben. Vom Museum führt der Stifterweg durch den Ort zu einem Denkmal, ganz in der Nähe der Gutwasserkapelle. Von der Stifterfichte am östlichen Ortsrand ist nur ein Stammrest geblieben. Ein Seitenarm des Sees zieht fjordartig ins Land, über einen Damm erreichen wir Cerná vv Posumaví (Schwarzbach). Einst wurde hier Graphit von einer hervorragenden Qualität abgebaut. Doch die Zeit der Fördertürme und der schwarzen Halden gehört der Vergangenheit an.

Während das Nordufer durch Campingplätze, Restaurants und eine Vielzahl von Booteinsetzstellen weitgehend touristisch erschlossen ist, visieren wir die Südseite des Lipnostausees an, die noch weitgehend von ursprünglicher Natur geprägt wird. Nur wenige kleine und kleinste Ortschaften liegen zwischen dichten Nadelwäldern und Weiden im Grenzgebiet zu Österreich. Dem 275 m langen Staudamm vorgelagert, wird mittlerweile das am Seeufer gelegene, einst unscheinbaren Dorf Lipno nad Vltavou, zu einem feudalen Touristenort mit Jachthafen, Hotelanlagen und Einrichtungen für Outdooraktivitäten ausgebaut. 50 Quadratkilometer Wasserfläche bedecken das einstige Moldautal. Nahe dem Staudamm finden wir am Südufer eine Parkmöglichkeit für die Fahrzeuge. Auf den Drahteseln erreichen wir, auf nahezu ebenem Sträßchen, nach einigen Kilometern die Ortschaft Prední Výton. Inzwischen wurde auch diese Gemeinde touristisch erschlossen, mit Sportanlagen und Restaurants. Dennoch, Blickfang ist die ockerfarben getünchte Kirche. Über dem Portal die fünfblättrige Rose, das Symbol der Rosenberger. Am See entlang verläuft der Weg nach Norden, nach Frydava. Von hier kann man via Fähre nach Frymburg übersetzen.
Etwa 70 - 80% des Sumava-Nationalparks waren bis 1989 abgeschirmtes Sperr- und Militärübungsgebiet. Ein Spinnennetz von geteerten Militärstraßen sorgte für die Zerstörung natürlich gewachsener Biotope. Dennoch konnten sich in rund vierzig Jahren der ideologischen Eiszeit in Europa einzigartige Naturreservate entwickeln, wie sie bei uns leider nur noch selten anzutreffen sind. Zur Zeit des "Eisernen Vorhangs" durfte kein Unbefugter seinen Fuß auf diese Wege, zwischen dem Lipno-Stausee und der Grenze zu Österreich setzen, nur Kübelwagen der tschechischen Grenztruppen dröhnten durch die Wälder. Heute finden Naturfreunde in herrlicher Landschaft auf Schusters Rappen, oder auf dem Drahtesel so manches malerische Fleckchen.

Wehr bei Herbertov
Zwischen Vyssí Brod (Hohenfurt) und Rozmberk (Rosenberg)
Zwischen Vyssí Brod (Hohenfurt) und Rozmberk (Rosenberg)

Unterhalb des Staudammes, bei der Gemeinde Lipno, strömt das Wasser der Moldau durch einen 3,5 km langen unterirdischen Tunnel unter dem Berg Luc in ein Ausgleichsbecken bei Vyssí Brod. In zwei Kraftwerken wird die Wasserwucht zur Stromgewinnung genutzt. Ein steiler Wanderpfad führt zwischen Louvovice und Vyssí Brod hinunter zum Fluss und eröffnet einen grandiosen Blick auf die Certova Stena (Teufelswand), ein geologisches Gebilde im Landschaftsrelief von Felsen und verkrüppelten Kiefern, hoch über der Moldau. Mächtige Granitfelsen sind in Quader geborsten. In das Flussbett gestürzte glattgeschliffene Felsen haben die Form von Riesentöpfen mit Walzen und kegelförmigen Vertiefungen.

Wir wollen Fahrspaß!

Vyssí Brod (Hohenfurt) ist ein malerisches Städtchen im Vorland des Böhmerwaldes. Bereits im 13. Jahrhundert wurde hier ein Zisterzienser Kloster gegründet, das im Laufe der Jahrhunderte weiter ausgebaut wurde. In der Klosterkirche Mariä Himmelfahrt befindet sich die Gruft der Familie Rosenberg. Die Klosterbibliothek aus dem Jahre 1757 beinhaltet an die 70.000 Bände und ist die drittgrößte in Tschechien. Seit jeher führte hier ein Handelsweg von Österreich nach Südböhmen.
Von Vyssí Brod fließt die Moldau ruhig wie zu den Zeiten der Floßfahrten. Aber der alte Flößerruhm ist längst vorüber und auch die Flößerkneipen gibt es nicht mehr. Beim Zeltplatz, unweit der Moldaubrücke setzen wir die Boote ein.
Hinter dem Städtchen wird das Tal enger. Gerade habe ich mich warmgepaddelt, lässt lautes Rauschen auf ein Wehr schließen. Als wir die breite Floßgasse mit einer flotten Strömung und am Ende hohes Weißwasser - halb Welle, halb Walze - erblicken, ist der linksseitige Pfad zum Umtragen, keine Alternative mehr. Wir wollen Fahrspaß. Im Outside folgt ein heißer Wellenritt, Brecher schlagen ins Boot, die abschließende Walze lässt den Schlauchkanadier steil aus dem Wasser steigen. Nun geht es flott voran.
Das Wehr Horni Mlýn in Herbertov schauen wir uns genauer an. Das Wasser fällt mehr als zwei Höhenmeter über die Schräge. In Folge wird der Flusslauf durch eine Betonmauer von der unterhalb der Staustufe beginnenden Wildwasserübungsstrecke geteilt. Wir schlagen den direkten Weg über die Stauanlage ein. Den Beton überzieht eine grünlich schimmernde und glatte Algenschicht. Wir stellen das Outside rechtwinklig zum Wehr, zwei, drei kräftige Paddelschläge und schon rutscht das Boot über das Hindernis. Auf der Übungsstrecke sind stetig kontrollierte Lenkmanöver gefordert. Über Wellen und um aufragende Felsen gelangen wir nach einigen hundert Metern wieder in ruhigeres Wasser.
Windungsreich schlängelt sich nun die Moldau durch das Tal. Die Wälder ziehen sich bis an das Ufer. Überhängende Äste strecken unter und über Wasser tausendfach ihre Fangarme nach uns aus. Bleiche Sonne taucht die Landschaft in unwirkliche Pastellfarben, das Grün der bereits von Herbst gezeichneten Wälder, das Blau der fernen Hügel und der Azurhimmel leuchten mit dem Grünblau des Flusses um die Wette.
Nach einer Stunde drängt sich eine Burg ins Bild, Rozmberk (Rosenberg). Schon der Name der Burg sagt, welcher berühmten Dynastie sie gehörte. Man kann sagen, dass die Familie Rosenberg auf dieser Burg ihren Anfang nahm, denn der wichtigste Zweig dieses Herrschergeschlechtes nannte sich nach diesem Ort. Über einem tiefen Tal der Moldau wurde sie im 13. Jahrhundert erbaut. Das Dorf unter der Burg wurde 1262 gegründet, hier stehen viele gut erhaltene und historisch wertvolle Bauten.
Das uralte Moldauwehr in Rozmberk, mit seiner einst spritzigen Floßgasse, wurde mittlerweile "entschärft", gemächlich rutschen seitdem die Boote über Stufen in ruhigeres Wasser. Kurze Zeit führt der Flusslauf durch offenes Gelände und taucht dann endgültig in ein tief eingeschnittenes Waldtal. Ruhig fließt das Wasser der Moldau, eingebettet zwischen bewaldeten Steilhänge. Kaum ein Fahrzeug auf der nahen Straße stört diese Abgeschiedenheit.
Der Abend naht bereits, als sich rechter Hand ein idyllisches Plätzchen zum Übernachten anbietet.

Rozmberk (Rosenberg)
Rozmberk (Rosenberg).
Zwischen Rozmberk (Rosenberg) und Ceský Krumlov (Krumau)
Ceský Krumlov (Krumau). Blick von der Burg

Sachte, ganz leise!

Als wir unser Fertigfutter über dem Gaskocher bruzzeln, hat sich die Sonne längst hinter dem Bergbuckel im Westen geduckt.
Bei Tagesanbruch beginnt es zu regnen. Auf den nächsten Kilometern lenkt die herrliche Flusslandschaft der Moldau vom Regen ab. Schon bald findet die Sonne Lücken in der Wolkendecke und lässt das Wasser dampfen. Das Flussbett bietet versteckte Tücken, wie knapp unter der Wasseroberfläche lauernde Felsen und Sandbänke. Im Gegenlicht sind sie oft erst im letzten Moment zu sehen und häufig hören wir hässliches Kratzen am Boden unserer Gummiwurst. Zügig geht es durch herrliche Mischwaldschluchten, störende Flussverbauungen sind hier fremd. Der Nebel hat sich inzwischen verzogen, es ist ein strahlend schöner Tag. In den nächsten Stunden ist von uns nichts zu hören außer dem gleichmäßigen Geräusch der Paddel.

Irgendwann tauchen hinter einer Biegung mächtige Fabrikanlagen auf, die sich hunderte von Metern am Ufer entlangziehen. Vor mehr als 130 Jahren wurde von Ceský Krumlov die Papierherstellung hierher, in die Peka-Mühle bei Vetrni verlegt. Eine Stauanlage leitet das für die Papierherstellung benötigte Wasser durch das Fabrikgelände. Schnelles Wasser trägt uns durch die enge Bootsgasse.

Bald knickt der Fluss nach Osten und dehnt sich in die Ferne, mit Sandbänken und einer Vertiefung dort, wo er sich am Fuß des "bunten Felsen" wegbiegt. Slalomartig passieren wir eine steinige Floßgasse, ehe die ersten Häuser von Ceský Krumlov die Ufer säumen.

Ceský Krumlov oder die "graue Witwe der verblichenen Rosenberger", wie Adalbert Stifter das alte Krumau, in seiner Erzählung "Der Hochwald" nennt, ist ein einziger Denkmalschutzkomplex. Auf einem Felsen erhebt sich eine mächtige Burganlage, eine der größten in Böhmen. Die Wittigonen gründeten hier im 13. Jahrhundert die ursprünglich gotische Burg. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie mehrmals umgebaut und vergrößert.
Die Altstadt von Krumau betritt man über eine der vielen Brücken. Man kommt ins Grübeln, ob Krumau die Moldau umschließt oder der Fluss die Stadt? Die Moldau mäandert hier derart, als zögerte sie, Krumau zu verlassen.

Die Mäander der Moldau gaben dem Ort den Namen: Krumme Au. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich Krumau zu einem architektonischen Kleinod, zu einem Museum der Baukunst. Schon vor 1918 nannte Egon Schiele, der Wiener Expressionist, Krumau: Die tote Stadt. Seine Mutter stammte aus Krumau. Immer wieder kam er hierher, hat diese Stadt gemalt, angezogen von ihrer Lage, ihrer Architektur, ihrer Atmosphäre, der Landschaft. Und manche Winkel sehen heute noch so aus, wie auf den Bildern und Zeichnungen von Schiele.

Ceský Krumlov (Krumau), Kunstevent auf der Moldau (1996)
Ceský Krumlov (Krumau), Veitskirche
Modlau, Zlatá Koruna (Goldenkron)
Zlatá Koruna (Goldenkron) ? Ceské Budejovice (Budweis)

50 Jahre ideologische Eiszeit in Europa gingen nicht spurlos an Ceský Krumlov vorüber. Weite Teile der wertvollen Bausubstanz aus Gotik, Renaissance und Barock drohten zu verfallen. Aber, Ceský Krumlov hat auf der UNESCO Liste denkmalgeschützter Orte einen hohen Stellenwert, so dass in den vergangenen Jahren weite Teile der Stadt restauriert wurden.
Von der Burg verwöhnen uns grandiose Ausblicke auf die Schleifen der Moldau und über die Dächer von Krumau. Der Marktplatz ist mittlerweile komplett restauriert und eine Augenweide. Bauwerke aus verschiedenen Epochen prägen das Bild der Stadt, viele erstrahlen wieder in neuem Glanz, andere sind eingerüstet - die alte Bausubstanz wird erhalten und im Stil der ursprünglichen Baukunst bewahrt. Enge verwinkelte Gässchen versetzen uns um Jahrhunderte zurück.
Am Bergrücken gegenüber dem Schloss zeigt die Geistlichkeit ihre Macht. Jesuitenkloster und Kolleg, die dem heiligen Veit geweihte Stadtkirche. Die letzten Jahrzehnte der Rosenberger sahen eine kulturelle Blüte. Durch Wilhelm und Peter Vok kam Glanz vom Kaiserhof ins Land der fünfblättrigen Rose. Die Rosenberger, eine legendäre Zeit. Trotz der Kriege, trotz der Belagerungen, Plünderungen, trotz der Bedrohungen durch die Hussiten und der Gefahren des 30jährigen Krieges.

O' Weißwasser, unterhalb der Burg!

Beim Wehr, mit einer gedeckten hölzernen Brücke, erreicht die Moldau die Stadt. Doch beim genaueren Hinsehen erkennen wir rasch, dass dieser Ort wegen der hohen Ufermauer zum Einsetzen der Boote denkbar ungeeignet ist. Wir starten mit unseren Booten einige hundert Meter flussabwärts, oberhalb der nächsten Brücke. Kaum treiben die Boote auf dem Wasser, hören wir ein dumpfes Rauschen - ein Wehr liegt vor uns. Kurz entschlossen lassen wir die Boote über die Schräge rutschen. Nach einem Kilometer wird das Wehr unterhalb der Burganlage erreicht. Entlang des linken Ufers zieht eine breite Floßgasse abwärts. Am Auslauf pendeln Slalomstangen in der Strömung, eine mächtige Walze lockt Kajakfreaks. Wir landen an, um diese Schlüsselstelle vom Ufer aus zu erkunden. Mit beachtlichem Gefälle strömt das Wasser auf einer Länge von 15 Metern hinab um sich am Ende als imposantes Weißwasser mit Walze zu präsentieren. Die Talfahrt mit dem Outside ist die reinste Freude, steil steigt der Bug aus dem Wasser. Wer mit einem offenen Kanu unterwegs ist, sollte vorher die Spritzdecke aufziehen oder das Wehr tunlichst umtragen, die eineinhalb Meter hohe Walze lässt es sonst unweigerlich "absaufen". Die Wehre und Schwallstrecken in Krumau liegen hinter uns, gemächlich zieht der Fluss aus der Stadt. Keine nennenswerte Strömung, ruhig gleiten wir auf dem Wasser dahin, steile bewaldete Hänge begleiten unsere Fahrt; Zeit zum Genießen. Der Wald reißt auf, nach drei Stunden erreichen wir Zlatá Koruna (Goldenkron). Am rechten Ufer breitet sich ein Campingplatz aus. Wir legen an, ziehen die Boote aufs Ufer und schlagen unser Lager auf.
Auch in Goldenkron setzte der böhmische König sein Zeichen. 1263 gründete Ottokar II. das Zisterzienserkloster Goldenkron (Zlatá Koruna). Das königliche Kloster, so nahe bei Krumau, bildete eine Art Gegengewicht angesichts des Expansionsdranges der Rosenberger. Das Kloster geriet immer wieder als Zankapfel zwischen die Interessen von König und Regionalfürsten. Erst die klosterfeindliche Reformpolitik Kaiser Josef II. von 1785 brachte das Ende des Klosters. Immerhin blieben die kostbaren Einrichtungen in der Kirche erhalten. Der Gründer von Goldenkron, der Böhmenkönig Ottokar II., erweiterte sein Reich systematisch. Seine Macht reichte von Königsberg bis zur Adria, er trotzte dem Kaiser. 1278 verlor er sein Reich und sein Leben gegen Rudolf von Habsburg.
Gegen Abend kühlt es empfindlich ab, am Ufer der Moldau entfachen wir ein Feuer. Noch lange sitzen wir beisammen, genießen die Stille. Strahlend blauer Himmel am nächsten Morgen. Morgentoilette und Frühstück ziehen sich lang hin, erst gegen elf sind die Fahrzeuge umgesetzt. Mit vielen Windungen und einer flotten Strömung fließt die Moldau durch die Wälder. Die Moldau verlässt den Böhmerwald und seine Ausläufer, tritt hinaus in die Ebene von Budweis. Auch Budweis ist eine Gründung Ottokars II. Das Land der Rosenberger, das Land der fünfblättrigen Rose, endet hier. Bei einem verfallenen Wehr legen wir am Ufer eine Rast ein. Unweit erhebt sich auf einem Bergrücken am anderen Flussufer die Ruine einer großen gotischen Burg, Dívcí Kámen, 1349 durch die Rosenberger gegründet.
Einige Kilometer weiter wird der Fluss ruhig, fließt träge dahin. Eine Brücke überspannt die Moldau, noch einen Kilometer bis zum Wehr der Papierfabrik bei Borsov. Vor der Stauanlage booten wir links aus und schleppen die Boote zum Standplatz des Landcruiser. Auf der Terrasse vor dem nahen Restaurant lassen wir uns nieder und genießen die Sonnenstrahlen, die ab und an, die Lücken in der Wolkendecke durchdringen und unsere verschwitzten Rücken kitzeln.